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Showing posts from January, 2022

Recherche führt zu Vermisstenfall

 Journalisten als Romanfiguren haben irgendwie immer ein deutlich aufregenderes Leben als ihre realen Gegenstücke. Zum  Beispiel die Kopenhagener Investigativjournalistin Heloise Kaldan, die in Anne Mette Hancocks Thriller "Grabesstern" nun schon ihren dritten Fall löst. Eigentlich wollte sie eine Reportage über Sterbebegleitung schreiben, doch de schwer krebskranken alten Mann, den sie in seinen letzten Wochen begleitet, scheint etwas auf der Seele zu liegen. Von Blut spricht er im Delirium und von alttestamentarischer Rache - Auge um Auge, Zahn um Zahn. Und er stammelt einen Namen, den der befreundete Kommissar Erik Schäfer entgegen aller Datenschutzregeln für sie durch die Abfrage im polizeilichen Auskunftsystem laufen lässt.  Heloise will herausfinden, was dahintersteckt und macht sich auf den Weg in das Küstenstädtchen Sonderburg, in dem der alte Mann einst lebte. Der Mann, von dem sie sich Auskünfte erhofft, ist schon lange tot. In dem Kleinstädtchen will keiner über di

Seniorenquartett zwischen Geheimdienst und Mafia

  Was haben der britische Inlandsgeheimdienst MI5, organisierte Kriminalität und die Bewohner einer idyllisch gelegenen Seniorenresidenz mit gehobenem Lebensstil miteinander gemeinsam? Sehr viel, wenn eine der Seniorinnen Elizabeth Best ist, ehemalige Geheimagentin und auch mit 70plus nicht willens, sich mit Handarbeiten, Museumsbesuchen  und Kaffeekränzchen den Alltag zu gestalten. Im zweiten Band um den Donnerstagsmordclub bringt der britische Autor Richard Osman einiges von Elizabeth schillernder Vergangenheit in die Handlung, angefangen von ihem Ex-Mann Douglas, der aus gutem Grund ein Ex ist. In "Der Mann, der zweimal starb", taucht Douglas erneut in Elizabeths Lebens auf, muss er doch in der Seniorenresidenz auf Tauchstation gehen, da ein internationaler Waffen-Broker ihm an den Kragen will. Er verdächtigt Douglas - nicht zu Unrecht - Diamanten im Wert von 20 Millionen Dollar gestohlen zu haben, die eigentlich einer New Yorker Mafiafamilie gehören. Und die versteht kein

Eine tote Gourmetkritikerin und ein Tal voll Hexenglauben

Jahrhundertealter Aberglaube, Hass und Vorurteile, die  von Generation zu Generation weitergegeben wurden, und inmitten des archaischen Settings eine tote Gourmetkritikerin: Der Südtirol-Krimi "Bei den Tannen" von Lenz Koppelstätter bringt ziemlich viel zusammen. Die Alpenidylle im Sarntal hat jedenfalls finstere Seiten, als die bekannte Gastro-Journalistin Manfredi nach den ersten Apettithäppchen im "Tan", dem urig im Wald gelegenen Restaurant Hedwig Jöchlers leblos zusammenbricht. Wenig später brennt das Restaurant, und auf der Wiese davor lassen sich brennende Buchstaben mit der Botschaft "Stirb Hexe" ausmachen. Commissario Grauner aus Bozen sieht sich mit einer schweigsamen Köchin und ebenso schweigsamen Dörflern konfrontiert. Soviel erkennt er aber schnell - die drei Jöchler-Schwestern sind aus der Dorfgemeinshaft ausgestoßen, so wie all die Jöchler-Frauen vor ihnen, die stets unverheiratet sind und es angeblich mit dem Teufel treiben. Doch wie passt

Lebensgefährliche Suche nach der Wahrheit - Todland

  Nach der Lektüre von "Winterland" des dänischen Autorengespanns Kim Faber und Janni Pedersen stand für mich fest: Ich will unbedingt wissen, wie es weiter geht? Warum wurden die Ermittler bei ihrer Arbeit an der Aufklärung eines Teroranschlags auf den Kopenhagener Weihnachtsmarkt gestoppt? Der Tod eines Geheimdienstmannes, der die Polizistin Signe anonym kontaktiert hatte, er konnte doch kein Zufall gewesen sein?  Mit dem nun erschienenen zweiten Band "Todland" dauerte das Warten zum Glück nicht so lange - und es hat sich gelohnt. Denn Vertuschung und Verschleierung auf höchster Ebene bleiben hier eines der großen Themen. Wie im Vorgängerband kommt auch das Privatleben der Ermittler, vor allem von Signe und ihrem ehemaligen Kollegen Juncker, nicht zu kurz - und jenseits der politischen Ebene ist es ein Kriminalfall im semiprivaten Umfeld, der Juncker umtreibt. Das Thema Aufklärung verlagert sich diesmal zunächst weg von den Polizisten und hin zu Junckers Noch-Ehef

Chefdiplomatin im Kampf gegen Terrorplot

 Wenn eine ehemalige Außenministerin und Präsidentschaftskandidatin einen Politthriller schreibt, in dem es um Schurkenstaaten, arrogante Verbündete und einen unfähigen und populistischen Ex-Präsidenten geht, stellt sich automatisch die Frage: Wie viel von Hillary Rodham Clintons eigenen Erfahrungen und Erlebnissen ist hier eingeflossen? Die fiktive Handlung jedenfalls ist in ein Setting eingebettet, das irgendwie vertraut klingt - sei es der russische Präsident Ivanov als kalter Machtmensch mit Dominanzgehabe, der arrogante britische Premierminister mit elitärem Privatschul-Hintergrund oder der Ex-Präsident, der mit reichlich Goldprunk in Florida residiert und einen eigenen Golfplatz hat. Hat sich Clinton gemeinsam mit ihrer Co-Autorin Louise Penny an alten Gegnern und politischen Narben abgearbeitet? Mag sein, dass das Schreiben einen gewissen therapeutischen Effekt hatte, mag sein, dass die ehrgeizige Politikerin das literarische Feld nicht allein dem Gatten überlassen wollte, der i

SA-Horden und Gangster in den Straßen von Berlin - Goldstein

 Erst vor wenigen Monaten wurde der illustrierte Briefroman "Mitte" um Figuren aus Volker Kutschers Gereon-Rath Reihe veröffentlicht, nun führt der Piper-Verlag mit einer Wiederauflage von "Goldstein" zurück zu den früheren Jahren des Kommissars der Berliner Mordkommission. Zu verdanken ist dies wohl den Vorbereitungen auf eine neue Netflix-Staffel von Babylon-Berlin, die auf der Romangrundlage von "Goldstein" aufbaut - wobei es einmal mehr eine deutliche Diskrepanz zwischen Roman- und Filmfiguren geben dürfte. In den letzten Romanen um Gereon Rath sah sich der Ermittler immer mehr mit der Politisierung des Polizeiapparats und des Justizsystems im Dritten Reich konfrontiert. Die Handlung von "Goldstein" spielt 1931, doch die SA-Trupps marschieren bereits auf den Straßen Berlins, die Bevölkerung übt schon einmal das Wegschauen, wenn Braumhemden in einer U-Bahn-Station einen alten orthodoxen Juden bedrängen.  Sehr viel weniger hilflos ist ein ander

Sufragetten und Serienmörder

  Sufragetten und Serienmörder - das ist der Rahmen in dem sich Henrike Engels historischer Roman "Die Hafenärztin" bewegt. Angesiedelt im Hamburg des Jahres 1910, also in die Zeit noch vor dem Wahlrecht für Frauen. scheint der Roman de Auftakt einer Serie zu sein. Denn es bleibt einiges offen zu der Hauptfigur, der Ärztin und Frauenrechtlerin Anne Firzpatrick, die trotz des angelsächsischen Namens eine Hamburger Reedertochter ist, heimlich und unter falschem Namen in ihre Geburtsstadt zurückgeommen ist, und sich nun als Ärztin im Hafen um diejenigen kümmert, die besonders schwer von prekären Lebensverhältnissen betroffen sind - die Arbeiterinnen, Prostituierten und ihre Kinder. Auch Pastorentochter Helene, die in großbürgerlichen Verhältnissen privilegiert aufwächst, will etwas tun, um die Verhältnise zu ändern, vor allem aber möchte sie als Frau selbstbestimmt leben. Da sie noch nicht volljährig ist, muss sie in ihrem konservativen Elternhaus allerdings um Kompromisse kämpf

Fremdenhass und Gleichgültigkeit - Die Nacht des Feuers

  Das Thema von "Die Nacht des Feuers" von Kjell Eriksson" klang vielversprechend: Der Brand einer Flüchtlingsunterkunft in einem schwedischen Dorf, Rechtsextremismus, das Schweigen der Mehrheitsgesellschaft, das Gaffen und Wegschauen gleichermaßen. Also eigentlich beste Voraussetzungen für einen Schwedenkrimi voller Aktualität. Und ich gebe zu, nach dem vor kurzen ebenfalls gelesenen "Winterland" mit ähnlichem Thema waren meine Erwartungen vielleicht besonders hoch. Nun aber bleibt eine gewisse Ratlosigkeit und Enttäuschung zurück, denn Eriksson hat es leider nicht geschafft, mich beim Lesen zu fesseln. Nichts gegen Einblicke in das Privatleben der Protagonisten, ganz im Gegenteil, das kann zur Komplexität der Charaktere beitragen. In diesem Fall wurde es allerdings vor allem zäh und langatmig. Dabei sind die Hauptfiguren nicht uninteressant: Allen voran Ann Lindell, ehemalige Polizistin mit Alkoholproblem, die mit dem Umzug aufs Dorf und einem Job in der Meie