Skip to main content

Posts

Showing posts from November, 2020

Agenten-Intrigen an der Spree - In "Die Republik" lebt die DDR

  Mit "Die Republik" hat Maxim Voland eine buchstäblich explosive und temporeiche Dystopie  geschrieben, in der die Geschichte von Bundesrepublik und DDR völlig anders verlaufen ist als in unserer Realität. In dieser nicht allzu fernen Zukunft endete das Wendejahr 1989 nicht mit der deutschen Einigung. Statt dessen ist die DDR ein wirtschaftlich höchst erfolgreicher Staat, der seine Westgrenze zu Frankreich, Belgien usw hermetisch absichert und seine Bürger mit einer Vielzahl von Maßnahmen und Spitzeln überwacht. Von der Bundesrepublik hingegen ist nur "Deutschland-Berlin" geblieben, ein Ort der internationalen Spione, heruntergekommen und lediglich in der Mitte mit florierendem Nachtleben und einigem Wohlstand. Einen der Protagonisten, der desillusionierte Stasi-Oberst Gustav, hat jahrelang geholfen, diese Sicherheits- und Überwachungsmaschinerie in Gang zu halten. Offenbar mit stalinistischen Methoden, wie wiederholt angedeutet wird. Das Leben der Funktionäre in W

Ratten, Kapital und finstere Verschwörungen - "Kreuzberg Blues"

Immobilienspekulation, Mietwucher und Häuserkampf - das ist nur der Anfang brandaktueller Themen in Wolfgang Schorlaus "Kreuzberg Blues". Der Stuttgarter Privatermittler und Ex-BKA-Zielfahnder Dengler begleitet seine Freundin Olga zu einem Freundschaftsdienst aus der Schwabenmetropole nach Kreuzberg. Olgas alte Freundin Silke wohnt in einem Mietshaus, das  luxussaniert werden soll. Die dann anstehende Miete, das weiß Silke, wird sie nicht zahlen können. Zusammen mit anderen Mietern stellt sich Silke den Plänen des Immobilienmagnaten Kröger entgegen.  Der Konflikt wird mit harten Bandagen ausgetragen - mal fällt die Heizung aus, mal sollen mitten im Winter Fenster ausgetauscht werden oder das Dach abgetragen.  Methoden, die  nicht nur Mieter in Kreuzberg kennen, sondern überall dort, wo alteingesessene Bewohner nicht schnell genug den Gentrifizierungsmaßnahmen weichen. Und jetzt hat obendrein jemand Ratten im Treppenhaus ausgesetzt. Eines der Tiere gelangte in Silkes Wohnung u

Hebamme mit detektivischem Spürsinn im Berlin der 20-er Jahre

 Hulda Gold, die Hebamme mit dem detektivischen Spürsinn, lernt in Anne Sterns historischem Kriminalroman "Scheunenkinder" das Berlin der 1920-er Jahre abseits der "goldenen Zeiten" kennen.  Die selbstbewusste junge Frau kommt dank ihres Berufs in ganz unterschiedliche Milieus der Stadt - doch das Scheunenviertel in Berlin Mitte war für sie bisher ein unbekanntes Pflaster. Über die Vermittlung ihres Vaters soll sie in dem Stadtteil, der wegen seiner vielen ostjüdischen Einwohner wie ein galizische Stetl mitten in Berlin ist, der hochschwangeren Tamar durch die Geburt helfen. Die fromme orthodoxe Familie legt Wert auf eine jüdische Hebamme - auch wenn Hulda, deren Mutter Christin war, im Sinne des jüdischen Religionsgesetzes gar nicht als Jüdin anerkannt ist und auch ihr Vater als Vertreter des liberalen Reformjudentums wenig mit der Glaubenswelt der frommen und bitterarmen Ostjuden gemeinsam hat. Bei aller Faszination für die fremde Welt des Scheunenviertels merkt H

Mord am Nordmeer - Tod eines Eisfischers

   Ich war gespannt auf Anna Ihrens "Tod eines Eisfischers", in dem es um einen grausamen Mord an Bord eines Forschungsschiffes geht. Der Expeditionsleiter wird ermordet in seiner Kajüte aufgefunden und der ehemalige SEK-Beamte Dennis Wilhelmson, nunmehr Leiter der Polizei in dem kleinen Schärenort Smögen, nimmt die Ermittlungen auf.  Dabei hilft nicht gerade, dass das  Schiff zur Fortsetzung der Expedition wieder auslaufen muss, um weiter nach Bergen und Spitzbergen aufzubrechen.. Zudem droht sich bei mehr als einem Beamten Berufliches und Privates in diesem Fall zu verbinden - eine Polizistin ist in Sorge um die auf dem Forschungsschiff arbeitende Tochter, gleich zwei Beamte sind höchst hingerissen von der Schwester des Mordopfersund Sandra Haraldson, Wilhelmsons engste Mitarbeiterin, muss mit ihrem wieder aufgetauchtem Ex klarkommen.  Das ist allerdings nicht das einzige, was hier verwickelt ist. Wie schon im ersten Band der Reihe gibt es eine zweite Erzählebene mit einem

Killer für Anstand und Sitte

 Es ist schon eine Zeitreise, als Leser den Ermittlungen der Kriminalkommissars Nick Marzeck zu folgen: Es gibt noch Bundesrepublik und DDR, der Kalte Krieg ist in Reagan-Zeiten zu neuen Frostwerten gesunken, an den Grenzen zu Österreich oder Italien gibt es noch Grenz- und Ausweiskontrollen, und Weißwurst und Weißbier sind mit D-Mark zu bezahlen. Weißbier, das  bei der Münchner Mordkommission auch während der Dienstzeit getrunken wird! Ach ja, es gab sie einst, die Arbeitswelt, in der es vielleicht weniger hip, aber andererseits auch weniger reglementiert war: vorausgesetzt, der Job wurde erledigt! Marzeck, eigentlich aus Berlin stammend, arbeitet nicht nur an Mordfällen, sondern zugleich an der Überwindung des Kulturschocks, muss er doch im Bayern des Franz-Josef Strauß Fuß fassen. Nach dem Tod seiner Frau ist ihm regelrecht der Boden unter den Füßen weggerutscht, ein Kollege holte ihn nach München, ehe er sich um Verstand und Leben trinken konnte.  Als korrekter "Preuße" k

Die Ehre des Gangsters - Heißes Blut

   Mit "Die Plotter" hatte der koreanische Schriftstelle Un-Su Kim eine düster-brutale, aber auch fast schon philosophische Geschichte eines Profu-Killers geschrieben, Auch in "Heißes Blut" bleibt er dem Gangstermilieu treu und schildert Karrieren, Verteilungskämpfe und blutige Fehden in Busan und am Strandviertel Guam. Atmosphärisch dicht, sprachtlich kraftvoll erzählt Un-Su Kim die Geschichte des Gangsters Huisu, der in den 90-er Jahren die rechte Hand des koreanischen Paten Vater Son ist. Huisu gehört gewissermaßen zum mittleren Management des organisierten Verbrechens, ein Mann mit Ambitionen, aber auch mit einem Ehrgefühl als Gangster. Vaterlos aufgewachsen kennt er das Leben am Rand der Gesellschaft, seine große Liebe ist eine Barbesitzerin und ehemalige Prostituierte. Teilweise ist "Heißes Blut" wie eine koreanische Version des "Paten", mit Soldaten und Offizieren, mit Abgaben und korruptem Beamten, mit ungeschriebenen Gesetzen und Verhalt

Sheriff wider Willen - "Dunkle Wolken über Alberta"

 Thumbs DreadfulWater, ein amerikanischer Cherokee, glaubt seine Polizistenvergangenheit hinter sich gelassen zu haben. Nachdem er in Kalifornien einen Serienmörder gejagt hatte, der auch DreadfulWaters damalige Lebensgefährtin und ihre Tochter umgebracht hatte, war es ein Fall zu viel gewesen. DreadfulWater zog in die Kleinstadt Chinook und arbeitet als Landschaftsfotograf. Mit einer Vertreterin des nahegelegenen Indianerreservats hat er eine On-Off-Beziehung, seine Katze tyrannisiert ihn und seine Ambitionen reichen aktuell nicht weiter als bis zur möglichen Anschaffung eines sechs-Platten-Gasherds. Da hat DreadfulWater allerdings die Rechnung ohne den Ortssheriff Hockney gemacht. Der muss nämlich zu einer internationalen Konferenz in Costa Rica und drängt DreadfulWater, in der Zwischenzeit als komissarischer Sheriff einzuspringen. Auch wenn DreadfulWater nichts davon hören will, wird er angesichts mehrerer mysteriöser Todesfälle in Chinook gegen seinen Willen doch in einen aktuellen

Karin Slaughters Serienfusion - Die verstummte Frau

  Von Frauke Kaberka Karin Slaughters neuester Thriller "Die verstummte Frau" führt einmal mehr in die Verbrechensszene Georgias, wo es Polizist Will Trent und seine Partnerin, die Rechtsmedizinerin Sara Linton, mit einer Serie von alten und neuen sadistischen Frauenmorden zu tun bekommen. Das Besondere: Slaughters Grant-County-Reihe fusioniert hier mit ihrer Will-Trent-Reihe  Südstaaten-Flair, missbrauchte gequälte Opfer und ein sadistischer Killer - für  Karin Slaughter probate Zutaten ihrer literarischen Menüs. Doch ihr neuer Thriller  "Die verstummte Frau"  bietet noch Einiges mehr: Die US-amerikanische  Autorin hat dieses Mal ihre beiden erfolgreichen Serien  - die Grant-County- und die Will-Trent-Reihe  - in einem Georgia-Roman zusammengeführt, denn beide Reihen sind in dem US-Bundesstaat angesiedelt. Und nicht nur das: Die Gegenwart verschmilzt mit der Vergangenheit, samt alten und neuen Personen, Beziehungen und  Ereignissen. Erwartungsgemäß stehen dabei die

Mädchenfängern auf der Spur

 Als die 17-jährige Leila nach einem Streit mit ihrem Vater nicht nach Hause kommt, reagiert die Polizei gelassen auf die zunehmend panischen Eltern: Teenager und die Konflikte mit den Eltern könnten schon mal eskalieren. Bestimmt sei Leila bei einer Freundin und werde bald wieder auftauchen.  Zumal sich herausstellt, dass Leila unglücklich über den Umzug der Eltern von Frankfurt auf ein Provinzkaff ist. Sie wurde aus ihrem Freundeskreis gerissen, findet die neue Umgebung blöd und spießig. Die Polizei sieht keinen Vermisstenfall - bis ein junges Mädchen in der Nacht auf die Autobahn läuft und überfahren wird. Auf der nahen Raststätte wird Leilas Ausweis gefunden... Die Privatdetektive Jan und Rica Kantzius werden Zeugen des tödlichen Unfalls. Jan hält die Hand des sterbenden Mädchens, dessen letzte Worte "Die Grube" sind.  In ihrer Hand hat sie einen Zettel, der wie eine Bauskizze aussieht. Jan, ein Ex-Polizist und seine Frau, die als Studentin in die Hände von Menschenhändle