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Showing posts from January, 2021

Einsamer Wolf und Korpsgeist der Polizei - "Der Solist"

 Mit seinem Kriminalroman "Der Solist" stellt Jan Seghers einen Ermittler in den Mittelpunkt, der als Polizist eher ungewöhnlich ist. Zum einen wegen seiner Herkunft: Aufgewachsen ist Neuhaus bei der Großmutter im Hessischen Hinterland, mit Geschichten über seine Mutter, die angeblich in Afrika als Lehrerin arbeitete. Erst sehr viel später fand er die Wahrheit heraus: Seine Mutter bewegte sich im RAF-Umfeld, war im Gefängnis. Nicht gerade eine Biografie, die eine Entscheidung für die Laufbahn als Polizist nahelegt.  Und auch in einem anderen Punkt unterscheidet sich der BKA-Beamte von vielen seinen Kollegen: Er arbeitet alleine, eben als Solist, ist ein Einzelgänger. Der von vielen seiner Kollegen geprägte Korpsgeist ist ihm fremd. Und doch muss er sich nun einem Team anschließen, wenn auch ausdrücklich als Solist: Eine neue Einheit der Berliner Polizei befasst sich mit Terrorabwehr. Von den dortigen Kollegen schlägt Neuhaus allerdings Abwehr und Skepsis entgegen. Doch nun ko

Die Queen ermittelt - Das Windsor-Komplott

 Rozie Oshodi entspricht möglicherweise nicht ganz dem Image eines Höflings: Die stellvertretende Privatsekretärin der Queen, die nach mehreren Jahren beim Militär und in einer Bank in den Dienst ihrer Majestät gewechselt ist, hat nigerianische Wurzeln, stammt aus "kleinen Verhältnissen" und ihr Stil hat mit Twinsets und Perlenketten eher wenig gemein.  Wie sich in S.J. Bennetts Cozy-Krimi "Das Windsor Komplott" herausstellt, braucht sie allerdings auch noch ein paar Qualitäten, die in der Jobbeschreibung nicht angegeben wurden: die Queen betätigt sich nämlich gerne mal als Amateurdetektivin - ein Geheimnis, das von Rozies Vorgängerinnen geteilt und gehütet wird. Und auch Rozie  lernt diese unbekannte Seite ihrer royalen Chefin  erst kennen, als ein junger Russe nach einer Abendgesellschaft auf Schloss Windsor tot aufgefunden wird - offenbar bei autoerotischen Spielchen am Kleiderschrank versehentlich erhängt. How embarrassing. Beim näheren Hinsehen stellt sich alle

Geschworenenpflicht mit Folgen - Verweigerung

 Das Geschworenensystem wie etwa in der amerikanischen Justiz ist gleichermaßen faszinierend wie erschreckend, wenn man sonst gerade bei großen Prozessen die vorherrschende Rolle von Berufsrichtern kennt. Da sind einerseits ganz normale Leute, die vielleicht andere Perspektiven in die Lebenswirklichkeit von Angeklagten haben als die Juristen, die Vorstellung der gemeinsamen Entscheidungsfindung, der Bürgerverantwortung und dass ein Angeklagter die Chance hat, von Mitbürgern be- und verurteilt zu werden.  Da ist aber auch das Risiko, dass eine Geschworenenjury nach Sympathien und Antipathien entscheidet, dass bewusste und unbewusste Vorurteile die Entscheidung prägen, auch wenn die Prozessparteien vorher versuchten, voreingenommene Geschworene auszuschließen. Die Gefahr, dass Charisma, Überzeugungskraft oder schlichtes Dominanzgebaren eines oder mehrerer Geschworener die allgemeine Meinung einer Jury für oder gegen eine Verurteilung kippen lässt. Könnte es nicht sein, dass professionell

Koks am Strand und Polizist im Zentrum einer Rache-Intrige

 Es geht schon dramatisch los in der "Baskischen Tragödie" von Alexander Oetker: Ein kleiner Junge findet am Strand ein Paket, lutscht etwas von dem daraus rieselnden Pulver, das er für Zucker hält und bricht vor den Augen seiner Mutter zusammen - bei dem Pulver handelt es sich um Kokain von hohem Reinheitsgrad. Luc Verlain von der Polizei in Bordeaux, der in dem Fall ermittelt, lässt die Strände sperren und kann so ähnliche Tragödien verhindern, denn es werden weitere Pakete an verschiedenen Strandabschnitten angeschwemmt. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er noch nicht, dass er noch ganz unmittelbar mit dem Drogenschmuggel zu tun haben wird. Privat könnte es zu diesem Zeitpunkt kaum besser für Luc laufen: Amouk, seine Freundin und Kollegin, ist schwanger. Er ist überzeugt, sie ist die Liebe seines Lebens. Just in dieser Situation findet er einen anonymen Brief, in dem ihm mitgeteilt ist, dass er bereits Vater einer Tochter ist, Ergebnis einer kurzen Affäre, die schon Jahre zurücklie

Zwischen Brexit und Verrat - Federball

 Vor wenigen Wochen starb John LeCarré, Altmeister des intelligenten Spionageromans. Höchste Zeit also, dass ich endlich "Federball", seinen schon 2019 erschienenen letzten Roman aus meinem Stapel ungelesener Bücher klaubte und las. Ganz klar: Auch hoch in den 80-ern schrieb LeCarré so bissig, abgeklärt und mit einer Prise britischen Humors, wie seine Leser es von ihm kennen.  Mit George Smiley und dem Spion, der aus der Kälte kam hat LeCarré schon vor Jahrzehnten Klassiker zum Kampf der Geheimdienste im Kalten Krieg geschrieben. Nun ist der Kalte Krieg ja ebenfalls schon ein paar Jährchen vorbei. Was heißt das für die alten Haudegen des "Circus"? Und wo verlaufen die neuen Frontlinien der Schlapphüte? Der überzeugte Europäer LeCarré bringt in seinem letzten Roman den Brexit ins Spiel, aber auch das unter Putin wieder mit Misstrauen betrachtete Russland und Trumps Amerika. Ich-Erzähler Nat gehört als operativer Geheimdienstmitarbeiter mit Ende 40 schon zum alten Eis

Ein Traumjob wird zum Albtraum - Hinter diesen Türen

  Das leise Grauen kann besonders eindringlich sein, dazu braucht es keine Brutalo-Szenen. Das bewahrheitet sich auch in dem Thriller "Hinter diesen Türen" der britischen Autorin Ruth Ware, in dem nichts ist, wie es scheint. Außerdem ungewöhnlich: Ihr Thriller kommt in Form eines Briefromans daher, über weite Strecken aus der Sicht einer jungen Frau, die aus der Untersuchungshaft heraus versucht, einen Anwalt dazu zu bringen, ihren Fall zu übernehmen. Der Leser weiß früh: Der angebliche Traumjob der jungen Erzieherin Rowan Caine als Kindermädchen einer sechsköpfigen Familie in den schottischen Highlands endete nicht gut. Die junge Frau sitzt wegen des Todes eines Kindes im Gefängnis. Doch um welchen ihrer Schützlinge es sich handelt, ob sie schuldig ist oder nicht, ob sie überhaupt zurechnungsfähig ist - auf all diese Informationen lässt Ware ihre Leser lange warten. Überhaupt bleibt manches Detail dann doch der Phantasie  des Lesers überlassen. Psychologische Spannung, eine