Die Clintons schreiben weiter: Nachdem Ehefrau Hillary nun auch unter die Krimi-Autoren gegangen ist, hat Bill Clinton mit seinem Co-Autor James Patterson nachgelegt: "Die Tochter des Präsidenten" Ist der zweite Krim des Gespanns, der deutlich weniger auf Polit-Thriller geschrieben ist als der erste Roman und aus meiner Sicht stellenweise ein bißchen zu einfach gestrickt ist. Auch ist der Präsident, um den es hier geht, ein anderer und hat das Weiße Haus bereits verlassen. Matthew Keating ist ehemaliger Navy Seal mit kaputter Hüfte, aber das hindert ihn nicht, auf einen Rachefeldzug zu gehen, als seine Tochter entführt wird.
Die dabei angedeutete eher einsame Kindheit im Weißen Haus, der unfreiwillige Umgang mit der Berühmtheit der Eltern, die Eliteschule und der Medienspott über die Brillenträgerin - in die Beschreibung von Präsidententochter Mel und ihrem Wunsch nach Normalität lässt sich auch ein wenig erahnen, wie Bill Clinton sich als Vater gefühlt haben mag, wenn in Klatschmedien über seine Tochter gelästert wurde.
Mel bricht mit einem Freund zu einer Wandertour auf und kehrt nicht zurück. Nur kurz danach erhält Keating, den seine Nachfolgerin und frühere Vizepräsidentin konsequent von allen Informationskanälen abschneidet, die Information, dass ein islamistischer Terrorist einen Anschlag auf Keating und seine Familie plant. Als Mels Freund erschossen auf einem Waldpfad gefunden wird, ist klar: Für Mel kam die Warnung zu spät.
Nach einem wenig später auf Al Jazeera verbreiteten Enthauptungsvideo muss Keating davon ausgehen, dass das Schlimmste geschehen ist. Doch zum Glück haben Ex-Präsidenten nützliche Freunde - in diesem Fall die Chefs des Mossad und des saudischen Geheimdienstes, die das Video als Fake entlarven. Mel, so ihre Information, wurde ins libysche Bergland verschleppt. Da die US-Behörden weder auf die Forderungen der Entführer eingegangen waren noch sich sonst um Aufklärung zu bemühen scheinen, schreitet Keating selbst zur Tat - mit seinem privaten Waffenarsenal, seinem Secret Service-Agenten, zwei Navy Seals und einer jungen NSA-Mitarbeiterin, die sich nicht nur aufs Hacken versteht, sondern auch als Scharfschützin brilliert.
Auch Mel ist eine toughe junge Frau, die sofort Fluchtpläne schmiedet und sich an all die Maßnahmen erinnert, die ihr der Secret Service seinerzeit beim Einzug ins Weiße Haus für den Fall einer Entführung eingeschärft hat. Dass gleich mehrere Akteure persönliche Rechnungen offen haben und auf Rache aus sind, sorgt nur für zusätzliches Drama in dem Plot.
Das kleine mutige Häuflein fest entschlossener Kämpfer gegen eine Mehrheit gewissenloser Schurken ist ein Thema, das aus der amerikanischen Popkultur von High Noon bis Rambo hinreichend bekannt ist. Schade, dass sich Clinton hier gegenüber seinem Co-Autor nicht mehr durchgesetzt hat, denn die Intrigen und Machtspiele in Washington, um die es ebenfalls geht - aber deutlich weniger Platz finden als im ersten Buch - dürften auf seinen Input zurückgehen. Davon hätte ich gerne mehr gelesen als die eher simple, wenn auch dramatische Geschichte mit einem großen Showdown in Libyen und einer ordentlichen Portion Pathos.
Bill Clinton, James Patterson, die Tochter des Präsidenten
Harper Collins, 2022
560 Seiten
9783365000823
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