Wieviel Morde passen auf knapp 300 Buchseiten? Im Fall von
Gerhard Henschels „Soko Heidefieber“ sind das ziemlich viele, darunter ziemlich
schauerliche und ungewöhnliche. Ähnlich wie in einem Tarantino-Film verliert
der Leser im Laufe dieser grotesk-überdrehten Kriminalsatire angesichts von
Blut und Leichen auch schon mal den genauen Überblick. Trotz lustvoll inszenierter Gewalt kommt der
Humor in diesem schrägen Krimi nicht zu kurz. Wen wundert´s – Autor Henschel
hat schließlich auch schon für das Satiremagazin „Titanic“ geschrieben.
Bezeichnet wird „Soko Heidefieber“ als Überregionalkrimi –
denn landauf, landab geht es Autoren des Genres an den Kragen oder vielmehr ans
Leben. Das Besondere: Jeder von ihnen wird auf eine Art getötet, die einem seiner Romane entnommen ist. Der Mörder,
das ist klar, muss ein fleißiger Leser sein.
Auch ein besonders anspruchsvoller? Der Schriftsteller Frank Schulz
spricht vor dem Bundeskriminalamt ironisch von einer Art „angewandter
Literaturkritik“ –mit fürchterlichen Folgen.
Denn ein erzürnter, eitler und
nicht sonderlich talentierter Schriftstellerkollege sinnt auf Rache und macht
Schulz erst mit einer Medienkampagne
fertig und ist mit der Flucht des Autoren in den Griechenland-Urlaub
noch längst nicht zufrieden.
Die Uelzener Kommissare Gerold und Ute, in deren
Zuständigkeit der erste Mordfall fiel werden in die BKA-Soko berufen, die im Zuge weiterer Morde ebenfalls zu einem überregionalen
Ermittlungsteam gehört. Dass der zuständige Forensiker mehr Interesse an
erfolglosen Verführungsversuchen bei weiblichen Kollegen hat als für für
Beweissicherung, hilft den Ermittlungen nicht weiter, ebenso wenig, wenn
ausgerechnet die Kooperation österreichischer oder Berliner Kollegen notwendig
wird. Mit regionalen Klischees und Stereotypen wird ebenso gespielt wie mit den
Aufgeregtheiten der Social Media-Gesellschaft, den Eitelkeiten des
Literaturbetriebs und dem Genre Kriminalroman an sich.
Das gilt auch für die unfreiwilligen Abenteuer des
Schriftsteller Schulz – der scheint zwar nicht im Fokus des Mörders zu stehen,
doch selbst wenn: Der Täter müsste sich
erst in die lange Schlange derjenigen stellen, die dem Autor an Leib und Leben
wollen. In einer keineswegs vollständigen Auflistung wären da etwa ein
korrupter griechischer Polizeichef, ein schwuler Kopfgeldjäger und Auftragskiller,
ein albanischer Familienclan mit Hang zur Blutrache, die biestigen kleinen
Töchter eines liebenswerten bayrischen Familienvaters. Ein hungriger Bär, ein
Tornado und diverse Unfälle tragen zu den neuen Leiden des Frank S. bei.
Das erinnert dann schon wieder an Art mancher
Krimiautoren, ihre Helden „interessanter“ zu gestalten, indem sie sie mit einem solchen geballten Anteil von
Schicksal, Gewalt und Schmerzen überhäufen, dass man sich wundert, dass sie das
Ende des Buches erleben. Mancher Autor lebt seine sadomasochistischen Tendenzen
vielleicht lieber an seinen Romanhelden aus.
Kein Zweifel –
Henschel schöpft aus dem Vollen. Dass er zwischen all den Morden nicht nur
Platz für die obligatorische Liebesgeschichte findet, sondern dem Leser ein
paar linguistische Studien ermöglicht: Chapeau! Wobei es entschieden von
Vorteil ist, Plattdeutsch zu verstehen.
Zu dieser wunderbaren Groteske passt dann irgendwie auch,
dass die Lösung des Falls in der Sympathisanten-Szene des Berlin der frühen
80-er Jahre wurzelt. Soko Heidemörder ist blutig, sehr blutig. Aber Freunde des etwas schrägeren Humors
werden auf ihre Kosten kommen. Na denn mal tau.
Gerhard Henschel, Soko Heidefieber
Hoffmann und Campe, 2020
288 Seiten, 18 Euro
978-3-455-00833-3
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