Skip to main content

Sympathisches Ermittlerteam, ein vermisstes Kind und ein Cold Case

 Verbrechen kennt keine Grenzen. Verbrehensaufklärung allerdings auch nicht, wie das deutsch-dänische Ermittlerduo in Dennis Jürgensens Kriminalroman "Gezeitenmord" beweist. Dass die Kopenhagener Polizistin Lykke Teit und ihr deutscher Kollege Rudi Lehmann zusammen arbeiten, liegt daran, dass ein Toter im Watt genau an der Grenze zwischen beiden Ländern gefunden wurde. Wer den Kleindealer tot sehen wollte, ist fast schon zweitrangig, denn ein elfjähriger Junge, der den Toten zusammen mit seinem Lehrer gefunden hat, ist spurlos verschwunden. Der Lehrer wurde von einem Unbekannten niedergeschlagen, doch wer seinen Schüler im dichten Nebel verschleppt hat, kann er nicht sagen.

Eine besondere Brisanz erfährt der Fall, da ein kleines Mädchen aus dem gleichen Dorf vor wenigen Jahren spurlos verschwunden ist. Der Dorfpolizist, der Lykke und Rudi zunächst eher feindselig begleitet, konnte den Vermisstenfall nie lösen. Handelt es sich um den gleichen Täter, gibt es womöglich einen pädophilen Hintergrund? Bei der Untersuchung von Besonderheiten stoßen die beiden Ermittler auf den Verdacht, dass sie womöglich einem Serienmörder auf der Spur sind. Andere Vermisstenfälle weisen erstaunliche Parallelen ab und ein auf Serienmörder spezialisierter Psychiater soll mit seinem Fachwissen zu einem Ermittlungserfolg beitragen. I

Wer aufmerksam mitliest, hat hier schon relativ früh eine Ahnung, wer besser als besonders verdächtig behandelt werden sollte. Die Lösung des Falls ist nicht ohne Dramatik, gleichzeitig ist das Ermittlerteam bei all seinen Gegensätzen - Lykke ist eine junge, dynamische Großstadtbewohnerin, Rudi könnte altersmäßig fast ihr Vater sein und mag es lieber gemütlich - sympathisch und wächst schnell zusammen. Auch das Privatleben der beiden kommt nicht zu kurz und macht sie menschlich "greifbarer" Als Auftakt einer neuen Krimireihe aus dem Norden werden die beiden jedenfalls gut eingeführt.

Wer bis zur letzten Seite im Ungewissen über den Ausgang des Falls gelassen werden möchte, ist möglicherweise enttäuscht, doch gleichzeitig überzeugt das nordische Ambiente mit Wattenmeer und nur scheinbarer Idylle beim hyggeligen nördlichen Nachbarn.

Dennis Jürgensen, Gezeitenmord

Kiepenheuer & Witsch, 2022

336 Seiten, 16 Euro

978-3-462-00241-6

Comments

Popular posts from this blog

Neuer Fall und neue Liebe für Hulda Gold

 Anne Stern schickt mit dem Roman "Die Lichter der Stadt" die Hebamme Hulda Gold bereits zum sechsten Mal auf Ermittlungen im Berlin der 1920-er Jahre. Denn auch wenn das Aus der wechselhaften Beziehung zu einem Kriminalbeamten schon eine Weile her ist - Hulda kann es einfach nicht lassen, sich einzumischen, wenn einer ihrer Schützlinge in Not scheint.  Dabei ist "Fräulein Gold" selbst alleinerziehende Mutter. Seit dem Vorgängerroman "Rote Insel" ist sie zu einer  Frauenberatungsstelle am Nollendorfplatz gewechselt und trauert der Arbeit, ja Berufung, als Hebamme nach. Doch wie kann sie ihren geliebten Beruf bei Tag und Nacht ausüben, wenn sie auch noch die dreijährige Meta versorgen muss? Schon der Dienst in der Beratungsstelle kann kompliziert werden. In "Die Lichter der Stadt" ist mittlerweile das Jahr 1929 angebrochen. Um den Nollendorfplatz herrscht diverses, manchmal wildes Leben. Doch auch Liebe liegt in der Luft: Huldas väterlicher Freund

Mysogynie und perfekte Ehefrauen

 Hinter der perfekten Kleinstadtidylle kann die Ehehölle lauern. Doch die bekommt keiner mit, bis die junge Mutter Melissa in Carla Kovachs Thriller "Die letzte Stunde" im eigenen Heim brutal ermordet wird. Die Obduktion der Toten weckt bei der leitenden Ermittlerin Gina Harte Argwohn - Melissa weist Spuren von Misshandlungen auf, die auf mehr als einvernehmliche kinky Sexspiele mit Ehemann Darrel hinweisen. Harte, die selbst einen gewalttätigen Ehemann hatte, ist sofort alarmiert. Doch der erste Fall, den sie selbständig leiten darf, hat es in sich: Der Ehemann, den sie nur zu gerne als Tatverdächtigen sehen würde, hat ein Alibi. Der Täter scheint mit großer Umsicht vorgegangen zu sein, DNA-Spuren gibt es nicht und es verdichten sich Hinweise, dass er einen Schutzanzug getragen hat, ähnlich dem der Spurensicherer. Zudem finden die Ermittler ein Handy, das Hinweise auf eine Affäre der Toten gibt. Ist der Lover der Mörder, weil Melissa ihren Ehemann nicht verlassen wollte? Und

Tödliche Zugfahrt zur Weihnachtszeit

  Mit dem Titel "Mord im Christmas Express" hat Alexandra Benedict gleich das Thema und die Messlatte ihres Weihnachtskrimis hoch angesetzt. Denn wer denkt da nicht gleich an die britische Krimi-Queen Agatha Christie und den "Mord im Orient-Express", der Meisterdetektiv vor solche Herausforderungen stellt? Und der obendrein in gleich zwei Verfilmungen als hochkarätig besetztes spannendes Kammerspiel beeindruckte. Da werden jedenfalls gleich Assoziationen und Erwartungen geweckt. Die Herausforderungen, vor denen Benedicts Protagonistin Roz steht, sind nicht nur dem Fall geschuldet. Denn eigentlich ist die Polizistin frisch pensioniert. Farewell, Metropolitan Police, hello Ruhestand mit gerade mal 59 Jahren, dafür aber voller Vorfreude auf das Enkelkind, das schon bald geboren werden soll. Ein wenig hofft Roz, dass der neue kleine Mensch auch hilft, das Verhältnis zu ihrer Tochter zu entspannen. Die kam bei der alleinerziehenden Mutter häufig zu kurz, ganz abgesehen v