Skip to main content

Nonne jagt den Feuerteufel

 Schwester Holiday, Mitglied eines kleinen Konvents von nur vier Nonnen in New Orleans und kurz vor ihrem "ewigen Gelübde", ist nicht gerade die typische Braut Christi. Zwar stammt sie aus einer streng katholischen Familie und ist tief gläubig, andererseits hat sie eine Vergangenheit als lesbische Punkrockerin, ist vom Hals abwärts ganzköpertätowiert und hat bei der Kombination Sex, Drugs & Rock nichts anbrennen lassen. Mit Schwester Holiday hat Margot Douaihy mit ihrem Kriminalroman "Verbrannte Gnade" eine ungewöhnliche Protagonistin geschaffen.

Die Entsagung von weltlichen Freuden, die sie bis dahin so lustvoll genossen hat, ist für Holiday auch ein Stück Wiedergutmachung für eine vergangene schwere Schuld und der Versuch, innere Heilung zu finden. Statt barbusig auf der Bühne zu stehen, ist sie nun - der Tattoos wegen - im schwülheißen New Orleans verhüllt mit Halstuch und Handschuhen, unterrichtet Musik an einer katholischen Privatschule und versucht, sich in die ganz neue Lebenswelt des Klosters einzufinden. 

Dass der Altersunterschied zwischen Holiday und den anderen Nonnen mindestens vier Jahrzehnte ausmacht, erleichtert das nicht gerade. Vor allem nicht im Umgang mit Schwester Honor, die Holiday ständig angiftet und keinen Hehl daraus macht, dass sie sie am falschen Platz sieht. Immerhin ist Schwester T, ex-Hippie, eine liebenswürdige Seele und Schwester Augustine, die Oberin, eine strenge aber gerechte Mentorin.

Das beschauliche Leben im Konvent findet ein jähes Ende, als ein Flügel der Klosterschule in Flammen aufgeht und Holiday während einer heimlichen Zigarettenpause entsetzt mit ansehen muss, wie Hausmeister Jack aus einem Fenster des brennenden Gebäudes stürzt. Beherzt rennt sie in das brennende Gebäude, findet dort zwei verletzte Oberstufenschüler und kann einen von ihnen nach draußen schleppen, ehe sie mit verrauchter Lunge zusammenbricht.

Holiday hat das Gefühl, dass die Polizei in ihr eine Tatverdächtige sieht, vor allem als eine ihrer Blusen erst verschwindet und dann mit angesengtem Ärmel wieder auftaucht. Versucht der eigentliche Feuerteufel, ihr die Schuld in die Schuhe zu schieben? Es bleibt nicht bei dem einen Feuer und während sich in der katholischen Community von New Orleans Panik ausbreitet und sogar die Existenz der Schule bedroht sein könnte.

"Verbrannte Gnade" ist nicht so ganz der klassische Krimi, denn neben der Suche nach der für die Brände verantwortlichen Person geht es eben auch um Sinnsuche, um queere Identität, Feminismus und die Vereinbarkeit von all dem mit dem Glauben. Es gibt Verweise auf Mystikerinnen und feministische Vorreiterinnen, die in Klöstern innere Freiheit gefunden hatten, aber auch die Auseinandersetzung mit der machtbewussten männlichen Kirchenhierarchie, hier verkörpert durch den Bischof und seine beiden Vikare, die als rechte Unsympathen rüberkommen.

Diese Vielschichtigkeit geht ein wenig auf Kosten einer schnellen Auflösung, hat für mich aber den Reiz dieses ungewöhnlichen Kriminalromans ausgemacht. 

Margot Douaihy, Verbrannte Gnade

Blumenbar 2024

368 Seiten, 14,99

9783841236524

Comments

Popular posts from this blog

Neuer Fall und neue Liebe für Hulda Gold

 Anne Stern schickt mit dem Roman "Die Lichter der Stadt" die Hebamme Hulda Gold bereits zum sechsten Mal auf Ermittlungen im Berlin der 1920-er Jahre. Denn auch wenn das Aus der wechselhaften Beziehung zu einem Kriminalbeamten schon eine Weile her ist - Hulda kann es einfach nicht lassen, sich einzumischen, wenn einer ihrer Schützlinge in Not scheint.  Dabei ist "Fräulein Gold" selbst alleinerziehende Mutter. Seit dem Vorgängerroman "Rote Insel" ist sie zu einer  Frauenberatungsstelle am Nollendorfplatz gewechselt und trauert der Arbeit, ja Berufung, als Hebamme nach. Doch wie kann sie ihren geliebten Beruf bei Tag und Nacht ausüben, wenn sie auch noch die dreijährige Meta versorgen muss? Schon der Dienst in der Beratungsstelle kann kompliziert werden. In "Die Lichter der Stadt" ist mittlerweile das Jahr 1929 angebrochen. Um den Nollendorfplatz herrscht diverses, manchmal wildes Leben. Doch auch Liebe liegt in der Luft: Huldas väterlicher Freund

Transfrau gegen Racheengel - Schräger Krimi führt in die bayrische Provinz

 Transfrau Vicki Victoria steht nicht nur fest im Leben, sie bewältigt es auch auf Stiletto-Absätzen - egal ob sie als V-Frau der Münchner Polizei unterwegs ist oder als Unterhaltungskünstlerin. Doch nun droht Ungemach in der Münchner Dachgeschosswohnung, wo Vicki sich nach einer eher freudlosen Jugend in der niederbayrischen Provinz neu erfinden konnte. Denn Toni Besenwiesler, der sie in der Schule, damals noch äußerlich ein Junge, grausam drangsalierte, ist aus dem Gefängnis ausgebrochen - und er schwört Vicki Rache. Sie, so glaubt er, hat dafür gesorgt, dass er einen Mord verurteilt wurde, den er nicht begangen hat. Ich-Erzählerin Vicki, die Protagonistin in Gloria Grays schräg-ironischem Cozy Krimi "Zurück nach Übertreibling" weiß: Mit dem Besenwiesler Toni kann man nicht diskutieren. Bleibt also nur die Flucht, doch schon das Treffen mit Clan-Chef Ahmet, mit dem der Geflohene ebenfalls eine Rechnung offen hat, endet exklusiv. Und dann wird auch noch die befreundete Nachb

Zwischen Schwarzmarkt und Wirtschaftswunder - die im Dunkeln sieht man nicht

 Ewiggestrige und Vorwärtsblickende, Menschen, die die Vergangenheit verdrängen und solche, die von ihrer Last weiter geprägt sind - mit "die im Dunkeln sieht man nicht" hat Andreas Götz einen historischen Kriminalroman geschrieben, der im München des Jahres 1950 spielt und damit in einer Zeit voller Schnittpunkte: Die Bundesrepublik ist noch ganz jung, die Nachkriegszeit neigt sich dem Ende entgegen und werden nicht nur vom absehbaren Wirtschaftswunder, sondern auch vom kalten Krieg abgelöst. Noch gibt es den Schwarzmarkt, doch außer den Trümmern gibt es Neubauten, Moderne, Aufbruch,  Die einen wollen alles vergessen, die anderen können es nicht - so wie Karl Wieners, der im Krieg Frau und Kinder verloren hat und aus Berlin in seine Heimatstadt München zurückkehrt. Ein alter Schulfreund will ihn für eine neue Zeitschrift rekrutieren und hat auch gleich einen Reportageauftrag: Karl soll einen Kunstdiebstahl aus den letzten Tagen recherchieren, damals verschwand aus dem Münchn