Ich gebe zu, die Lektüre von "Tödliche Hetze" von Matthias Gibert hat mich mit sehr, sehr gemischten Gefühlen zurückgelassen. Ich kannte den Autor bisher nicht, aber der Klappentext des Buches weckte sofort mein Interesse:
"In Kassel kommt es nach dem Tod von Walter Lübcke wiederholt zu rechtsradikal motivierten Angriffen auf Politiker und Journalisten. Es herrscht ein Klima der Gewalt. Im Hochsommer 2020 spitzt sich die Lage zu. Erst sterben zwei Menschen bei einem Brandanschlag auf eine linke Szenezeitung, dann gibt es mehrere brutale Anschläge auf Mitglieder der Neonaziszene. Die Kommissare Thilo Hain und Pia Ritter finden kaum Ermittlungsansätze. Die Menschen schweigen. Aus Angst?"
Nun finde ich es ja immer gut, wenn ein Krimi oder Thriller aktuelle gesellschaftliche Vorgänge behandelt. Die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus ist wichtig, und wenn über die Krimilektüre Menschen, die sich damit bisher nicht auseinandergesetzt haben, vielleicht doch für das Thema sensibilisiert werden - um so besser. Und derzeit läuft am Frankfurter OLG der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Walter Lübcke. Nachdem ich das Verfahren vor Ort verfolge und das Thema rechte Verflechtungen in Nordhessen nach dem Mord wieder mehr Aufmerksamkeit bekam, war ich natürlich neugierig auf das Buch.
Beim Lesen herrschte dann allerdings arge Enttäuschung. Die handelnden Figuren waren allesamt holzschnittartig. Bei so tumben, leicht erkennbaren, vorhersehbaren Nazis haben die Ermittler eigentlich leichtes Spiel und irgendwie ist die Darstellung der Rechtsextremisten eine gewaltige Verharmlosung. Die kahlköpfigen, einschlägig tätowierten Typen sind zwar äußerst brutal, aber so dumm, dass man ihnen eigentlich sofort auf die Schliche kommt. Und der ganze Haufen versammelt sich gut sichtbar in einer Kasseler Kneipe namens "Vaterland", mit Stahlhelmen auf dem Tresen. Da hätte der Autor bei der Recherche eigentlich darauf stoßen können, dass sich die rechte Szene äußerlich seit den 80-er und 90-er Jahren in Auftreten und Aussehen durchaus verändert hat. Gerade weil der moderne Rechtsextremismus gefährlicher ist als die Skinheads und Schlägertrupps der früheren Generation, hätte dem Buch eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema gut getan. So wirkt es, als solle mit dem plakativen Schlagwort Lübcke Auflage gemacht werden.
Dann die Dialoge, so hölzern und lebensfern. Die Gespräche zwischen Hain und Ritter wirken gestanzt. Sicher, Polizisten haben manchmal eine arg mit Behördendeutsch und Formalien gespickte Redeweise, jedenfalls wenn sie in offizieller Mission daher kommen, eine Aussage vor Gericht machen usw. Im "wirklichen Leben" und als Privatmenschen ist das allerdings ganz anders und wenn ein befreundetes Kollegenpaar solche Dialoge führt wie in "Tödliche Hetze", verzweifelt der Leser angesichts dieses Umgangs mit Sprache. So hält Pia Ritter ihrem Kollegen vor: "Du bist im Grunde deines Wesens nun mal immer noch der kleine Junge, der zum alles ausblendenden, sämtliche Grenzen überschreitenden Jähzorn neigt." und Thilo Hain antwortet in ähnlichem Stil, der mehr an einen psychologisierenden Lebenshilfe-Ratgeber erinnert als an ein echtes Gespräch.
Schließlich wirkt auch noch der Plot ziemlich konstruiert, hinzu kommt, dass ein Opfer eines rechtsextremistischen Anschlags mal als Somalierin, mal als Senegalesin bezeichnet wird. Africa is not a country! möchte man da erinnern.
Ich habe einiges erwartet von "Tödliche Hetze", aber leider hat das Buch mich nicht überzeugen können
Matthias P. Gibert, Tödliche Hetze
Gmeiner Verlag, 2020
344 Seiten, 16 Euro
ISBN 78-3-8392-2764-0
"In Kassel kommt es nach dem Tod von Walter Lübcke wiederholt zu rechtsradikal motivierten Angriffen auf Politiker und Journalisten. Es herrscht ein Klima der Gewalt. Im Hochsommer 2020 spitzt sich die Lage zu. Erst sterben zwei Menschen bei einem Brandanschlag auf eine linke Szenezeitung, dann gibt es mehrere brutale Anschläge auf Mitglieder der Neonaziszene. Die Kommissare Thilo Hain und Pia Ritter finden kaum Ermittlungsansätze. Die Menschen schweigen. Aus Angst?"
Nun finde ich es ja immer gut, wenn ein Krimi oder Thriller aktuelle gesellschaftliche Vorgänge behandelt. Die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus ist wichtig, und wenn über die Krimilektüre Menschen, die sich damit bisher nicht auseinandergesetzt haben, vielleicht doch für das Thema sensibilisiert werden - um so besser. Und derzeit läuft am Frankfurter OLG der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Walter Lübcke. Nachdem ich das Verfahren vor Ort verfolge und das Thema rechte Verflechtungen in Nordhessen nach dem Mord wieder mehr Aufmerksamkeit bekam, war ich natürlich neugierig auf das Buch.
Beim Lesen herrschte dann allerdings arge Enttäuschung. Die handelnden Figuren waren allesamt holzschnittartig. Bei so tumben, leicht erkennbaren, vorhersehbaren Nazis haben die Ermittler eigentlich leichtes Spiel und irgendwie ist die Darstellung der Rechtsextremisten eine gewaltige Verharmlosung. Die kahlköpfigen, einschlägig tätowierten Typen sind zwar äußerst brutal, aber so dumm, dass man ihnen eigentlich sofort auf die Schliche kommt. Und der ganze Haufen versammelt sich gut sichtbar in einer Kasseler Kneipe namens "Vaterland", mit Stahlhelmen auf dem Tresen. Da hätte der Autor bei der Recherche eigentlich darauf stoßen können, dass sich die rechte Szene äußerlich seit den 80-er und 90-er Jahren in Auftreten und Aussehen durchaus verändert hat. Gerade weil der moderne Rechtsextremismus gefährlicher ist als die Skinheads und Schlägertrupps der früheren Generation, hätte dem Buch eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema gut getan. So wirkt es, als solle mit dem plakativen Schlagwort Lübcke Auflage gemacht werden.
Dann die Dialoge, so hölzern und lebensfern. Die Gespräche zwischen Hain und Ritter wirken gestanzt. Sicher, Polizisten haben manchmal eine arg mit Behördendeutsch und Formalien gespickte Redeweise, jedenfalls wenn sie in offizieller Mission daher kommen, eine Aussage vor Gericht machen usw. Im "wirklichen Leben" und als Privatmenschen ist das allerdings ganz anders und wenn ein befreundetes Kollegenpaar solche Dialoge führt wie in "Tödliche Hetze", verzweifelt der Leser angesichts dieses Umgangs mit Sprache. So hält Pia Ritter ihrem Kollegen vor: "Du bist im Grunde deines Wesens nun mal immer noch der kleine Junge, der zum alles ausblendenden, sämtliche Grenzen überschreitenden Jähzorn neigt." und Thilo Hain antwortet in ähnlichem Stil, der mehr an einen psychologisierenden Lebenshilfe-Ratgeber erinnert als an ein echtes Gespräch.
Schließlich wirkt auch noch der Plot ziemlich konstruiert, hinzu kommt, dass ein Opfer eines rechtsextremistischen Anschlags mal als Somalierin, mal als Senegalesin bezeichnet wird. Africa is not a country! möchte man da erinnern.
Ich habe einiges erwartet von "Tödliche Hetze", aber leider hat das Buch mich nicht überzeugen können
Matthias P. Gibert, Tödliche Hetze
Gmeiner Verlag, 2020
344 Seiten, 16 Euro
ISBN 78-3-8392-2764-0
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