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Auf Freundschaft und Tod

 "Todesfall" - der Titel des norwegischen Kriminalromans von Randi Fuglehaug ist wörtlich zu nehmen. Denn es geht nicht nur um einen Todesfall (wenig überraschend in einem Krimi) - eine Frau kommr buchstäblich durch Fall zu Tode, nämlich bei einem Fallschirmsürung. Vier verschworene Freundinnen, die nicht nur das gemeinsame Hobby verbindet, wollten sich mit ihrem Sprung in Trachtenkostüm an dem Extresportfestival in ihrem westnorwegischen Heimatort Voss beteiligen. Doch nur drei von ihnen kommen heil am Boden an. Die Journalistin Agnes Tveit, erst vot kurzem aus der Hauptstadt nach Voss zur dortigen Zeitung zurückgekehrt, gehört zu den Augenzeugnnen und berichtet über den Vorfall.

Was zunächst noch wie ein tragischer Unfall aussah, entpuppt sich als Mord: Sämtliche Schnüre an dem Fallschirm wie auch am Reserveschirm waren durchtrennt worden. Die Springerin hatte nie eine Chance gehabt. Wer hatte ein Interesse an dem Tod der jungen Mutter? Agnes Tveit klemmt sich hartnäckig hinter die Ermittlungen, mehr, als ihrem Chefredakteur lieb ist. Hat der Tod der Frau mit einer 20 Jahre zurückliegenden Vergewalitgung zu tun? Und wieso wurde damals die Anzeige wieder eingestellt?

An Tatverdächtigen und Hinweisen auf die Probleme der Vergangenheit herrscht kein Mangel. Agnes hat endlich mal wieder eine große Geschichte, nicht nur die Lokalthemen, die wenig prickelnd sind. Doch der Umzug nach Westnorwegen diente ohnehin nicht der Karriere, sondern dem Privatleben. Agnes und ihr Freund haben die Familienplanungsphase begonnen. doch es will einfach nicht klappen mit einer Schwangerschaft. Immerhin, in Voss wohnen Agnes´Eltern, die auch bei der Kinderbetreuung einspringen könnten.

"Todesfall" streift auch die Kontraste zwischen Stadt und Land, zwischen dem Hauptstadtleben und dem ganz anderen Menschenschlag im Westen - das war mir bisher so gar nicht bewusst, also wieder was gelernt. Auch die Veränderungen der Medienlandschaft werden thematisiert, das Sterben der Printausgaben, die Hoffnung auf den Profit durch digitale Angebote, die Angst, plötzlich zu den "Alten" zu gehören, die als nicht mehr anpassungsfähig für die neue Zeit verallgemeinert werden und in die berufliche Sackgasse zu geraten drohen. Insofern steckt eine ordentliche Portion Realität in dem Buch.

Mit der Figur der Agnes tat ich mir vor allem am Anfang schwer - zum einen verstößt sie gleich mehrfach gegen journalistische ethische Standards, wenn es ihr nur zum Vorteil dient, zum anderen erscheint sie mir gleichermaßen ichbezogen und selbstmitleidig. Während der Plot allerdings zunehmend dichter und komplexer wird, lässt sich das allerdings leichter ignorieren. Der Fall erfährt eine Wendung, die plötzlich alles in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt, Da führt die Autorin die verschiedenen Hinweise und Fäden gekonnt zusammen.  Strahlefiguren gibt es hier nicht, wohl aber eineb interessanten Aufbau, der keine Langeweile aufkommen lässt und auch der spektakulären Landschaft norwegischer Berge und  Wasserfälle ihren Raum gibt.


Randi Fuglehaug, Todesfall

Fischer 2022

397 Seiten,  15 Euro

978-3-596-70556-6


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