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Showing posts from July, 2024

Ein sehr persönlicher Fall für DI Gina Harte

 DI Gina Harte ist nicht so ganz die toughe Polizistin, die viele in ihr sehen. Nach einer durch Gewalt und Missbrauch geprägten Ehe und einem sorgfältig gehüteten Geheimnis schleppt sie auch Jahre später noch Trauma und Schuldgefühle mit sich herum. Im Kriminalroma "Ihr dunklese Herz" von Carla Kovach triggert  Hartes  neuester Fall  sie gleich mehrfach.  Zum einen ist eine Frau verschwunden, die mit ihrer Scheidung einem einengenden und kontrollierenden Ehemann entkommen will. Zum anderen erinnert die Mutter der Vermissten Gina an ihre eigene, früh verstorbene Mutter - vom Äußeren bis hin zu Gesten. Sie fühlt sich immer noch schuldig, dass sie aus Angst vor ihrem Ehemann der Mutter nicht in ihren letzten Stunden beigestanden hat. Für die fremde, ihrer Mutter so ähnliche Frau, will sie sich nun besonders bemühen. Doch Harte und ihre Kollegen ahnen - die Familie hütet einige Geheimnisse. Zwischen der Mutter und der älteren Tochter, die wegen ihrer Schulden wieder im Elternhau

Hanebüchener Dänemark-Urlaub

 Von "dänische Dunkelheit" von Jonas W, Bentsen (so das dänisch klingende Pseudonym eines aus der Stuttgarter Gegend stammenden Autors, ist ja eine beliebte Masche bei den Verfassern deutscher Urlaubsromane, die in anderen Ländern spielen) hatte ich mir hyggelige Spannung oder Scandinavia Noir erhofft: Ein Stuttgarter Kommissar, der beim Campingurlaub in Dänemark eine Leuche stößt und so zu einer ganz neuen Urlaubsbeschäftigung kommt, indem er die dänischen Kollegen unterstützt. Gute Beispiele von grenzüberschreitenden Ermittlerteams gibt es ja durchaus, und der Kontrast von Mentalitäten und Marotten diesseits und jenseits der Grenze kann durchaus reizvoll sein. Doch ach, schon nach den ersten Kapiteln ahnte ich, hier wartet nur eine dunkle Lese-Enttäuschung. An einer Stelle des Buches heißt es, der Rest einer Vernehmung habe einem Groschenroman entsprochen. Das war eine unfreiwillige Selbstbeschreibung dieses Buches. Warum hat ein wohlmeinendes Lektorat den Autor nicht darua

Frauen auf den Barrikaden, Gewalt gegen Frauen

 Beim Lesen von "Aufstand der Frauen" von Petros Markaris sollte man satt sein. Denn sein jüngst zum Kriminaldirektor von Attika ernannter Kostas Charitos muss zwar auch ermitteln, aber den Ermittler gibt es sozusagen nur mit Familienanschluss und vielen gemeinsamen Mahlzeiten. Da kann sich beim Lesen schon ein Hüngerchen einstellen, zumal die Handlung eher langsam an Fahrt aufnimmt und der Autor eher bedächtig erzählt. Freunde von Verfolgungsjagden und Cliffhangern kommen hier nicht auf ihre Kosten, das Buch lebt vom lokalen Ambiente und dem Einblick in die Mentalität und stetige, aber nicht immer aufregende Polizeiarbeit. Für diejenigen, die die Reihe von Markaris kennen, gibt es mit der Beförderung des Mordermittlers Neuerungen: Die Mordkommission erhält erstmals eine Chefin. Erst ist Charitos ein bißchen skeptisch - er ist halt doch ein alter weißer Mann. Doch schnell ist er nicht nur von den beruflichen, sondern auch von den menschlichen Qualitäten von Antigone Ferlakis

Verschüttete Erinnerungen

 "Blick in die Angst" von Chevy Stevens ist ein Thriller, in dem es buchstäblich um psychologische Spannung geht. Denn Nadine, die Protagonistin, arbeitet als Psychiaterin in einem Krankenhaus auf Vancouver Island an der kanadischen Westküste. Doch das Leben im eigentlich idyllischen Victoria hat Schattenseiten für die Mittfünfzigerin, die seit mehreren Jahren verwitwet ist: Ihr Tochter Lisa ist ihr zunehmend entglitten, lebt als Drogenabhängige auf der Straße. Als Therapeutin findet Nadine zwar den Zugang zu ihren Patientinnen und Patienten, aber offenbar nicht zur eigenen Tochter. Ein Fall in der Notaufnahme nach einem Selbstmordversuch wird für Nadine unerwartet persönlich: Ihre Patientin Heather, die mit den Folgen einer Fehlgeburt nicht fertig wird, gibt sich selbst die Schuld an dem Unglück: Vielleicht hätte sie das "Zentrum" nicht verlassen dürfen. Als sie Einzelheiten nennt über eine Art Yoga-Retreat, wird Nadine hellhörig: Zum einen erinnern sie die Zuständ

Loyalität und Rache

 Mit "City of Ruins" hat Don Winslow seine Mobster-Triologie um Danny Ryan beendet, den Mann, der in einen irischen Gangsterclan im Boston der 50-er Jahre hineingeboren wurde und ähnlich wie die Helden griechischer Tragödien eine enorme Fallhöhe erreicht. Den Bogen zur griechischen Tragödie schlägt Winslow nicht nur mit seinen Themen um Rache, Liebe, Femmes fatales, Aufbau und Niedergang von (Gangster-)Reichen, von Kriegen, in denen eigentlich alle verlieren. Er zitiert auch aus Äneis und Odyssee, ehe die ganze Wucht des Schicksal und der Verstrickung in Gewalt einen Mann erfasst, der eigentlich nur ein anständiger Mensch sein will. Ich hatte die beiden vorangegangenen Bände gelesen und war vor allem vom ersten Teil begeistert - der zweite zeigte ein paar Schwächen, wie das beim Mittelband von Triologien ja häufiger der Fall ist. Den Abschluss wollte ich natürlich nicht verpassen und Winslow läuft in der Tat zu großer Form auf, packt viele Themen und Protagonisten der beiden

Ernstes Thema mit britischem Humor

 Femizide, sogenannte Ehrenmorde, physische und psychische Gewalt oft über Jahre Hinweg - Wenn es um Gewalt in einer Beziehung geht, sind die Täter fast immer männlich, die Opfer ihre Ehefrauen, Partnerinnen, Töchter. Die Statistiken von Organisationen wie Terre des femmes sind ernüchternd und schockierend. Damit ein so ernstes  und hartes Thema Gegenstand eines durchaus humorvollen Kriminalromans ist, braucht es vermutlich den berühmten schwarzen britischen Humor - und genau das funktioniert in "Ein Mann zum Vergraben" von Alexia Casale ziemlich gut. Es war ein Unfall. Als Ehemann Jim sie in einem seiner Wutanfälle einmal wieder mit kochendheißem Wasser übergießen will, greift die englische Hausfrau Sally, Mutter zweier erwachsener Kinder, zum erstbesten Gegenstand, um ihn abzuwehren. Dass die gusseiserne Pfanne, ein Erbstück ihrer Oma, derart fatale Wirkung hat, merkt sie erst, als Jim tot auf dem Küchenboden liegt. Nach einem Schaumbad und einer Eis- und Kuchen-Orgie ringt

Hinter den Masken der feinen Gesellschaft am Gardasee

 Lenz Koppelstätter ist als Autor der Reihe um den Südtiroler Kommissar und Teilzeitbauer Grauner bekannt. Mit "Was der See birgt" startet er eine neue Serie um die ehrgeizige Polizeireporterin Gianna Pitti. Schauplatz ist nun nicht Südtirol, sondern der Gardasee, wo Pitti bei einer Lokalzeitung arbeitet und für eine gute Story auch schon mal zu unsauberen Methoden greift. Insgeheim strebt sie ihrem von einem Jahr spurlos verschwundenem Vater, einem investigativen Journalisten nach - auch wenn die Fälle, über die sie normalerweise berichtet, nicht unbedingt die ganz große Nummer sind. Als sie noch vor Dienstbeginn sieht, wie eine Leiche aus dem See geborgen wird, hofft sie auf einen Knüller - und muss feststellen, dass sie den Toten, einen Kollegen aus Mailand, kannte und noch den vergangenen Abend mit ihm verbracht hatte. Der junge Journalist träumte von einer investigativen Karriere - war er einer großen Geschichte auf der Spur? Giannas Neugier ist geweckt, sie beginnt eige

Südtirolkrimi vor Gletscherkulisse

 Von wegen Vollblutpolizist: Commissario Grauner ist zwar Mordermittler in Bozen, sein Herz hängt aber am Nebenerwerb als Viechbauer, an seinen 16 Kühen, dem Hof, und dem ruhigen ländlichen Leben. Lieber früher als später will er in den vorgezogenen Ruhestand gehen, den Hof an die Tochter übergeben und sich mit seiner geliebten Alba auf die Alm verziehen. Doch Grauner kommt gar nicht dazu, dem Staatsanwalt seine diesbezüglichen Wünsche mitzuteilen in Lenz Koppelstätters "Das Flüstern im Eis". Es gilt, einen Mord zu ermitteln, seinen letzten Fall, so hofft Grauner.  Immerhin muss er dazu nicht in die verhasste Stadt, sondern in ein Südtiroler Dörfchen am Fuße des Ortlers. Der Leiter der dortigen Bergwacht ist dort tot aufgefunden worden, und die Mistgabel in der Brust macht es schwer, hier einen natürlichen Todesfall zu vermuten. Um sein Team zusammenzurufen, braucht Grauner nicht lange: Seine Mitarbeiter Tappeiner und Saltapepe sind bereits vor Ort, auf einer Hütte, um den We

Tod im Swimming Pool

 Aurel Timescu ist ein eher untypischer Diplomat. Zum einen steht er trotz rumänischer Herkunft als Konsul im Dienst Frankreichs, zum anderen zeichnet er sich durch den vollkommenen Mangel an Ehrgeiz aus. Statt Ambitionen auf einen chicen Botschafterposten zu entwickeln, verweigert er sich konsequent und mit viel kreativen Ausreden der Arbeit und ständigen Erreichbarkeit, auf die seine Vorgesetzten Wert legen. Er lebt mehr für weißweinhaltige Nächte am Klavier in seiner Wohnung in Maputo als für das diplomatische Parkett der mosambiquischen Hauptstadt. Aus der üblichen phlegmatischen Lebensweise erwacht Timescu in Jena-Christophe Rufins Diplomaten-Krimi "Der Tote im Pool" erst, als im Pool eines heruntergekommenen Hotels die Leiche des französischen Ministers gefunden wird und dessen ebenfalls französische Ehefrau wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft landet. Sich um Landsleute im Gefängnis zu kümmern gehört zu den Aufgaben der Konsularabteilung, doch das allein wäre für T

Ministerin mit Geheimnissen

  Clara Lofthus, erst seit wenigen Monaten Witwe und nun alleinerziehende Mutter von Zwillingen, wird zur neuen norwegischen Justizministerin ernannt. Einerseits bringt sie das ihrem Ziel näher, Gesetze voranzubringen, die Kinder besser vor Misshandlungen schützen. Andererseits muss sie feststellen, dass sie rund um die Uhr verfügbar sein muss und nur noch wenig Autonomie in ihrem durchgetakteten Arbeitsalltag hat.  Das aber ist nur das geringste ihrer Probleme: Denn mit der Bergung eines vor 30 Jahren bei einem Unfall in ihrem westnorwegischen Heimatfjord versunkenen Autos wird das Interesse eines Lokaljournalisten an ihr geweckt. Dann verschwinden ihre Zwillingssöhne und sie findet eine Nachricht von Entführern vor. Die Polizei dürfe sie nicht einschalten, sonst würden die Kinder getötet. Wie kann sie als Politikerin im Rampenlicht der Öffentlichkeit versuchen, das Verschwinden ihrer Kinder aufzuklären? "Dunkler Abgrund" von Ruth Lillegraven ist eine Fortsetzung von "T

Ein Noir-Klassiker, wiederbelebt

 Das Cover von "Wer das Opfer findet" von Ross MacDonald erinnert an die Bilder von Ed Hopper und auch inhaltlich verkörpert dieser Detektivroman die Ära der Ära der Noir-Klassiker. MacDonald starb 1983, das Buch spielt irgendwann in den 50-ern, das spiegelt sich auch der Beschreibung der Welt in einer kalifornischen Kleinstadt wieder. Wie heißt es doch so schön, als "Männer noch Männer waren"? Frauen haben jedenfalls vor allem schön zu sein und wahlweise die Rolle der Mutter und Ehefrau oder des Flittchens auszufüllen.  Beim Visualisieren des Textes habe ich geradezu Humphrey Bogart und die junge Lauren Bacall vor Augen, in den Chandler-Verfilmungen der "Schwarzen Serie". Und auch sprachlich erinnert MacDonald an den Stil von Raymond Chandler, wenn er seinen Privatdetektiv Lew Chandler erzählen lässt - einerseits lakonisch-abgeklärt, andererseits mit bildhaften Formulierungen, die sofort  Kopfkino in Gang setzen und nachhallen, die poetisch wirken wie etw

Frankfurt-Krimi zwischen Bankern, Hausbesetzern und Alt-Linken

 "Der goldene Tod" von Florian Wacker ist bereits der zweite Krimi um die Frankfurter Staatsanwältin Greta Vogelsang, die sich mit der Aufklärung von Umweltkriminalität befasst. Diesmal allerdings hat sie mit zwei Fällen zu tun, die auch einen persönlichen Touch haben: Ihr Ex-Lover sucht sie auf, um ihr brisante Informationen zu geben und wird wenig später ermordet im Sperrmüll hinter einem besetzten Haus gefunden. Und ihr Chef beauftragt sie und einen weiteren Kollegen mit heimlichen Ermittlungen gegen einen früheren Studienkollegen, mittlerweile Oberstaatsanwalt und als Anklagevertretet ein Kollege bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft. Damit steckt schon mal eine ordentliche Portion Frankfurter Realität in dem Roman, denn der Fall des Oberstaatsanwalts erinnerte einschließlich der Umstände, nur in einem anderen Ressort, an einen tatsächlichen Fall bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, der die Justizszene Frankfurts vor ein paar Jahren erschüttert hat. Und auch so

Auf Tauchstation im Bayou

  Mit schrägen Charakteren und überdrehtem Plot erinnert "Weg vom Schuss" von Jana deLeon ein bißchen an die Romane von Carl Hiaasen. Es gibt darin zwar weniger Kritik an Umweltzerstörung und sie spielen nicht in den Everglades von Florida, sondern in den Bayous von Luisiana, aber Alligatoren und Waschbären gibt es auch dort.  Dabei hätte sich Fortune, CIA-Agentin und erfahren in allen möglichen Techniken des Tötens, nie vorstellen können, dass es sie einmal in ein verschlafenes Südstaatenstädtchen namens Sinful verschlagen könnte, und dann auch noch als angebliche Nichte ihres Chefs. Da ein Waffenhändler aus dem Nahen Osten jedoch einen Hit auf sie angeordnet hat und es peinlicherweise bei der CIA einen Maulwurf zu geben scheint, muss Fortune vorgeben, eine Ex-Schönheitskönigin und Bibliothekarin zu sein, dabei kann sie weder mit Büchern noch mit Mode viel anfangen.  Als Sandra-Sue soll sie angeblich das Haus ihrer verstorbenen Tante inventarisieren, vor allem aber weit weg