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Frankfurt-Krimi zwischen Bankern, Hausbesetzern und Alt-Linken

 "Der goldene Tod" von Florian Wacker ist bereits der zweite Krimi um die Frankfurter Staatsanwältin Greta Vogelsang, die sich mit der Aufklärung von Umweltkriminalität befasst. Diesmal allerdings hat sie mit zwei Fällen zu tun, die auch einen persönlichen Touch haben: Ihr Ex-Lover sucht sie auf, um ihr brisante Informationen zu geben und wird wenig später ermordet im Sperrmüll hinter einem besetzten Haus gefunden. Und ihr Chef beauftragt sie und einen weiteren Kollegen mit heimlichen Ermittlungen gegen einen früheren Studienkollegen, mittlerweile Oberstaatsanwalt und als Anklagevertretet ein Kollege bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft.

Damit steckt schon mal eine ordentliche Portion Frankfurter Realität in dem Roman, denn der Fall des Oberstaatsanwalts erinnerte einschließlich der Umstände, nur in einem anderen Ressort, an einen tatsächlichen Fall bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, der die Justizszene Frankfurts vor ein paar Jahren erschüttert hat. Und auch sonst, die Szene der Alt-Linken, die sich seit 1968 ideologisch kaum verändert haben, lebt in Frankfurt weiter, allen Bankern zum Trotz. Und Sperrmüll? Als alte Gallus-Bewohnerin kann ich nur sagen: Ja, haben wir reichlich. Normalerweise allerdings ohne Leichen.

Auch sonst enthält "Der goldene Tod" viel Lokalkolorit, bis hin zur reiche Leute-Szene im Hochtaunuskreis mit seiner hohen Millionärsdichte. Denn nach der Auswertung des USB-Sticks, den ihr der Tote hinterlassen hat, wächst bei Greta Vogelsang der Verdacht, dass illegales Bushmeat eine Rolle spielen könnte. Bei dem ermittelnden Kommissar kann sie sich damit zunächst nicht durchsetzen, klingt Menschenhandel doch nach einem viel überzeugenderem Motiv für den Mord an dem investigativem Journalisten. Auch die Zollfahndung lässt zweifelt, doch die Staatsanwältin ist hartnäckig. 

"Der goldene Tod" verschafft den Leser*innen mehr Informationen, als sie die Ermittler zunächst haben, verrät aber nicht alles. Insofern bleibt Suspense bis zum Ende gewahrt. Anders als im klassischen Polizeikrimi steht hier die Arbeit der Staatsanwaltschaft im Vordergrund, die schließlich Herrin des Ermittlungsverfahrens ist. Ich empfand das Buch als realitätsnah geschrieben und recht nah dran am auch bürokratischen Alltag der Ermittler.

Auch das Private spielt eine Rolle - Gretas Sorgen angesichts der dementen Mutter und des mit der Betreuung überlasteten Vaters, ihre zwiespältige Haltung zur eigenen Rolle, war doch auch sie in der linken Szene zu Hause und entschloss sich dann, das System von innen heraus verändern zu wollen. Das macht Vogelsang zu einer Protagonistin mit Ecken und Kanten und einem eigenen moralischen Kompass. Dass sie sich nicht so ganz von den Idealen ihrer Jugend getrennt hat, machen auch ihre beiden Katzen deutlich: Die heißen nämlich Marx und Engels.

Florian Wacker, Der goldene Tod

Kiepenheuer & Witsch 2024

256 Seiten, 17 Euro

9783462003468

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