Bei aller Schönheit des südfranzösischen Sommers – von dem
er an seinem Arbeitsplatz in den gekühlten Kellerräumen der Rechtsmedizin
ohnehin nicht viel mitbekommt – scheint Leon Ritter erstaunlich häufig mit
serienmordenden Psychopathen zu tun zu haben. So auch in „Dunkles Lavandou“,
dem 9. Band von Remy Eyssen über den deutschen Arzt, der nach dem Tod seiner
Frau nicht nur ein neues Leben in Frankreich gefunden hat, sondern mit der
Polizeikapitänin Isabelle auch eine neue Liebe. Der Beruf der Lebensgefährtin
bringt es mit sich, dass Leon auch diesmal deutlich näher dran ist an den
Ermittlungen, als nur mit der Obduktion der Leichen auf seinem Tisch genaue
Angaben zur Todesursache machen zu können.
So auch nach einem Unfall, der – so wirkt es auf den ersten Blick
– durch eine Selbstmörderin ausgelöst wurde. Doch der Arzt wird skeptisch: Die
Frau war bereits vor ihrem angeblich tödlichen Sturz tot. Und sie muss vor
ihrem Tod schrecklich misshandelt worden sein, wie auch eine weitere Frau, die
ausgerechnet während der Schiffsprozession des Schutzheiligen von Lanvadou aus
dem Hafenbecken gezogen wird. Dann verschwinden gleich zwei junge Frauen
spurlos, eine von ihnen ausgerechnet die Tochter des Kulturministers. Ein deswegen aus Paris in den Süden
geschickter Sonderermittler ist allerdings nur wenig hilfreich, wie Isabelle
und ihre Kollegen feststellen müssen.
Als sei sie nicht schon mit den Ermittlungen reichlich
beschäftigt, muss sich Isabelle mit gesundheitlichen Sorgen und ihrer zunehmend
flügge werdenden pubertierenden Tochter beschäftigten. Leon wiederum hofft nicht nur, bei seinen
„Patienten“, sondern auch bei einem Kirchenhistoriker Informationen zu finden,
die zur Lösung des Falles beitragen. Denn manches an den Verletzungen der
Frauen erinnert an die längst vergangenen Hexenprozesse der Inquisition – ist
hier ein religiöser Fanatiker zu Gange? Und haben, wie die alte Veronique versichert, die Sterne
etwas mit dem Fall zutun?
Eyssen legt in „Dunkles Lavandou“ dem Leser einige Spuren
und Hinweise zurecht, die so früh kommen, dass sie eigentlich nur falsch sein
können. Das Offensichtliche trifft denn auch nicht ein, doch bis die Welt in der Provence wieder
halbwegs in Ordnung sein kann, sorgt der Autor für viel Action, manchen
ermittlerischen Alleingang von Leon und Isabelle und einen dramatischen
Showdown. Routiniert, aber spannend und Sehnsucht nach der Sonne und den Düften
Südfrankreichs weckend.
Remy Eyssen, Dunkles Lavandou
Ullstein, 2020
512 Seiten
9783548291277
Comments
Post a Comment